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Flashmob in München zu Resettlement / Hintergrundbericht zur Flüchtlingsaufnahme

Der Münchner Flüchtlingsrat berichtet auf ihrer Homepage:

„Wer am Samstagmorgen um fünf vor Zwölf am Richard Strauß Brunnen vorbei kam, war mit einer sonderbaren Szene konfrontiert: Eine Gruppe von etwa 50 Münchner Bürgern hatte sich dort versammelt, bestückt mit Rettungsringen, Schwimmflügeln, Wasserbällen, Schwimmnudeln, Holzbrettern und anderen Utensilien. Jeder von ihnen hielt ein Schild in die Höhe, auf dem save me – rette mich – stand. Spätestens, als sich fünf Personen in schwarzen T-Shirts mit dem Schriftzug Frontex von der Menge absonderten und sie mit einem rot-weiß gestreiften Absperrband einkesselte, war klar, worum es der Gruppe ging. Frontex, die europäische Grenzschutzagentur, hält Flüchtlinge an den Außengrenzen der Europäischen Union davon ab, zu uns zu kommen. Die EU schottet sich immer weiter ab. Dabei spielen sich nicht selten Dramen ab, vor allem auf dem Mittelmeer. Um auf die Notwendigkeit hinzuweisen Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, haben sich in München und Berlin Bürger zu einem Flashmob versammelt.

Die save me Kampagne, ein Bündnis verschiedener Organisationen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen… fordert schon lange, dass Deutschland auf regelmäßiger Basis Flüchtlinge aufnimmt. Unter anderem nehmen USA, Australien, Schweden, Frankreich und Großbritannien jährlich Flüchtlingskontingente über das Resettlement-Programm der Vereinten Nationen auf. Deutschland ist bisher leider noch nicht dabei und beschränkt sich lediglich auf Ad Hoc–Aufnahmen.  (…)

Dass das Konzept aufgeht, wird am Samstagmorgen schnell deutlich. Viele Leute bleiben stehen, beobachten die Szene, fragen nach und fangen an zu diskutieren. Die 300 mitgebrachten Flyer und Infoblätter sind nach einer Viertelstunde alle weg.“

 

Zum Hintergrund (von N.G., 2010):

Die gezielte Flüchtlingsaufnahme

am Beispiel der Kindertransporte nach Großbritannien 1938/1939

und der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland im Rahmen von „Resettlement“ im 21. Jahrhundert

Die gezielte Aufnahme von Flüchtlingen

Eine Besonderheit in der Geschichte stellen die Kindertransporte dar. Hier wurde durch aktive Fluchthilfe jüdischen Kindern die Flucht aus dem Deutschen Reich nach Großbritannien ermöglicht.

Auch heute existieren international organisierte Schutzprogramme im Rahmen des Resettlements, allerdings mit dem Unterschied, dass nur Personen die Weiterwanderung ermöglicht wird, die bereits Flüchtlinge sind und in einem Drittstaat leben.

 

Die Kindertransporte 

1938/1939 wurde etwa 10.000 jüdischen Kindern und Jugendlichen die Flucht aus Deutschland ohne ihre Eltern nach Großbritannien ermöglicht. Von diesen Kindern haben nur wenige Ihre Eltern wieder sehen können. Das englische Kabinett beschloss im November 1939 die Aufnahme einer unspezifischen Zahl von jüdischen Kindern. Als einzige Bedingung für ein Visum mussten pro Kind 50 Pfund aufgebracht werden. Bei der damals noch existierenden Reichsvertretung der Juden konnten Eltern ihre Kinder für die Ausreise registrieren lassen. Prioritär sollten Kinder in Sicherheit gebracht werden, deren Eltern bereits von Nazis verhaftet worden sind.

Nach dem 2. Weltkrieg, als sich abzeichnete, dass die meisten Kinder ihre Eltern verloren hatten, schuf das britische Innenministerium die Möglichkeit in einem vereinfachten Verfahren die britische Staatsangehörigkeit anzunehmen.[1]

Zunächst wurden die ankommenden Kinder in einem leer stehenden Ferienlager aufgenommen. Durch die Presse hatten sich rasch Familien bereit erklärt Kinder aufzunehmen. Die anderen Kinder wurden auf unterschiedliche Heime verteilt. Unterschiedliche Organisationen beschäftigten sich mit den Themengebieten „Gesundheit“, „Ausbildung“, „Religion“ etc.  Es wird berichtet (vgl. z.B. Göpfert 1998)[2], dass viele Kinder darunter litten in einem fremden Land mit einer Ihnen zunächst fremden Kultur aufzuwachsen. Für manche wäre es schwierig gewesen sich nicht über ihre Lage beklagen zu dürfen, da sie ins sichere England haben fliehen dürfen. Die Pflegeeltern wären oft überfordert gewesen.

 

Resettlement – weltweit

Die Aufnahme der Kinderflüchtlinge durch Großbritannien, können  als Vorläufer der heutigen „Resettlement-Programme“ (Weiterwanderungsprogramme) des UNHCR gesehen werden.

Mehrere Länder (u.a. Australien, Burkina Faso, USA, Niederlande, Schweden, Dänemark, Norwegen) haben sich bereit erklärt, jährlich ein bestimmtes Kontingent von besonders schutzbedürftigen  Flüchtlingsgruppen aus Krisenregionen aufzunehmen. Prioritär wird als dauerhafte Lösung für Flüchtlinge die freiwillige Rückkehr in ihr Heimatland oder die Integration im Fluchtland ermöglicht. Dies ist jedoch nicht in allen Fällen realisierbar.  Resettlement ist die sogenannte „Dritte Lösung“ die vom UNHCR als Zeichen der internationalen Solidarität sowie als Instrument der Lastenverteilung gesehen wird.

Zur Erinnerung: Die meisten Flüchtlinge halten sich in der Nähe ihrer Herkunftsländer aus, die umliegenden Regionen sind oftmals mit der Flüchtlingssituation überfordert  (Bsp. Kenia (2010) mit ca. 300.000 somalischen Flüchtlingen, Guinea/Conakry (2003) mit ca. 700.000 Flüchtlingen bei einer Einwohnerzahl von 7 Millionen, Syrien (2008) mit ca. 2 Mio. Flüchtlingen aus dem Irak etc.).

Resettlement wird insbesondere für besonders schutzbedürftige, vulnerable und/oder akut gefährdete Flüchtlinge realisiert. Typische Personengruppen sind z.B. Opfer von Folter, Kinder und Jugendliche, Personen die medizinische Probleme haben, die im Asylland nicht behandelt werden können, alleinstehende Frauen mit Kinder, Personen die im Asylland verfolgt werden etc.

 

Resettlement in Deutschland

2006 nahm Deutschland 14 usbekische Flüchtlinge auf, die nach den Massakern in Andijan (Usbekistan) nach Kirgistan fliehen mussten. Entgegen dem „non-refoulement“-Gebot, welches die Abweisung und Rückschiebung von Genfer-Konventionsflüchtlingen verbietet, hatte Kirgistan Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen und eine Rückschiebung geplant. Darüber hinaus verfolgten usbekische Behörden die Zivilisten über die Grenzen hinaus, so dass der UNHCR für knapp 450 Personen als einzige Lösung die Weiterwanderung sah. [3]

Deutschland hat sich 2009 erstmals seit dem an einem groß angelegten Resettlementprogramm beteiligt. Es wurden einmalig 2500 irakische Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen.

2010 gibt es eine Debatte bezüglich der Aufnahme einer zweistelligen Zahl verfolgter iranischer Staatsbürger.

Als Kontingentflüchtlinge wurden vor dem Jahre 2000 sog. „boat-people“ (zumeist vietnamesischer Herkunft) sowie Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in der Bundesrepublik aufgenommen.

Nach Einschätzung des Autors wird das „Instrument“ des Resettlements in den nächsten Jahren in Europa wie in Deutschland an Bedeutung gewinnen.

2009 ermöglichte UNHCR weltweit die Weiterwanderung von 66.000 Flüchtlingen.

N. G.

(Der Autor war in Guinea/Conakry und Senegal bei der Umsetzung von Resettlement beteiligt)

 

Weiterführende Literatur

  • Göpfert, Rebecca : Kindertransporte,  in: Woge e.V. (1999): „Handbuch der Sozialen Arbeit mit Kinderflüchtlingen“. Votum Verlag GmbH: München.
  • Salewsky, Anda: Der olle Hitler soll sterben (2001), Claassen Verlag.

 

Internet:

www.kindertransporte.de

http://www.ajr.org.uk/kindertransport

http://www.kindertransport.org/

http://www.save-me-muenchen.de/kampagne.html

 

http://www.unhcr.org/4ac0873d6.html

 

 

 


[2] Göpfert, S. 217 ff.

[3] UNHCR (2006): Réfugiés. Numéro 143. L`après Andijan, S.14 ff.

Vorbemerkung

Die auf dieser Informations- und Diskussionsplattform  veröffentlichten Einzelartikel spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung des gesamten AK wider. Einzelne Artikel stehen in Verantwortung des jeweiligen Autors/der jeweiligen Autorin. Eingestellte Positionspapiere sind im AK Konsens.


Mitglieder des AK und auch externe PErsonen haben auf Anfrage die Möglichkeit Artikel zu publizieren.

Über uns – Selbstverständnis (vorläufige Entwurfsfassung)


Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit – München

 

Wer wir sind

Der Arbeitskreis „Kritische Soziale Arbeit“ (Ak KriSo) ist ein Zusammenschluss von in der Sozialen Arbeit tätigen Einzelpersonen im Großraum München.

Jede Person die Interesse hat kann sich gerne an einzelnen Veranstaltungen, temporär und natürlich auch langfristig am AK beteiligen.

Auch uns „eint weder Ideologie noch ein Konsens in Theorie, sondern das Bemühen um Formulierung und Realisierung von Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit.“[1]

 

Ausgangslage

Wir stellen fest:

  • Soziale Probleme und Ihre – oft auch gesellschaftlichen – Ursachen, die Praxis Sozialer Arbeit (inkl. der Methoden), die „Aufträge“ an die Soziale Arbeit (Stichwort: „Monomandat von oben“ vs. „doppeltes Mandat“ vs. “Tripelmandat“) und die Ziele Sozialer Arbeit mit den davon verbundenen Werten  werden nicht ausreichend kritisch reflektiert.
  • Soziale Probleme werden mit der Durchsetzung neoliberaler Ideen zunehmend individualisiert[2]“.
  • Bestimmte Bevölkerungsgruppen werden ausgegrenzt und stigmatisiert – mitunter auch von Seiten der Sozialen Arbeit.

 

In Anbetracht dessen hat sich im März 2011 der „AK KriSo – München“ gegründet.

 

Unsere Ziele

  • Eine kritische Auseinandersetzung mit der bestehenden (Sozialarbeits-)Praxis sowie den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit. Dies beinhaltet u.a. Diskussionen zu Macht(strukturen), zu Ausgrenzung & Diskriminierung[3], zu (strukturellen) Ungerechtigkeiten und zur Legitimität bestimmter Praxen – sowohl im Allgemeinen wie auch am konkreten Einzelfall.
  • Bewusstseinsbildung bei in der Sozialen Arbeit tätigen Personen, PolitikerInnen und der MitgliederInnen unserer Stadtgesellschaft
  • Veränderungsprozesse initiieren/Perspektiven entwickeln/Alternativen aufzeigen/

 

 

Unsere Umsetzungsstrategien (Auswahl)

Kritische Reflexion (Themenabende/ggfls. Fachtage/ggfls. Publikationen)

Positionierung zu (sozial-)politischen Entwicklungen, Entscheidungen und Ereignissen innerhalb der Sozialen Arbeit und der Politik des Sozialen

Kampagnen (z.B. Lobbying/Öffentlichkeitsarbeit)

Ggfls. Recherche

Ggfls. Forschung

Ggfls. Vernetzung (z.B. Bündnis „München Sozial“, AKS-DT)



[1] Übernommen von http://www.kritischesozialearbeit.de/

[2] vgl. z.B. Mäder 2006, S.207.

[3] Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Diskriminierungsformen wie z.B. ageism, sexism, racism, antiziganism, ableism, classicism.